Achtsamkeit und Meditation
Jack Kornfield (amerikanischer Autor, Psychologe und Vipassana-Lehrer) beschreibt in seinen Büchern, wie buddhistische Psychologie in der heutigen Zeit helfen kann. Er geht gekonnt darauf ein, wie mir mit menschlichem Leid, unwürdigen Gedanken und Gefühlen sinnvoll umgehen lernen. Ihm ist es wichtig, dass wir erkennen, wie wir unser Leben mit mehr Achtsamkeit, Mitgefühl und Selbstliebe füllen können. Über Meditation und Achtsamkeit schreibt er folgendes:
„Eine der wirklich magischen Erfahrungen auf dem buddhistischen Übungsweg ist die zunehmende Fähigkeit, den Geist zu beruhigen und den Körper und die Welt erfahren zu können, als wären sie völlig neu und noch nie da gewesen. Die dichtenden Zen-Meister besingen in ihren poetischen Werken das Knirschen des Schnees auf einem verschneiten Weg, die Frühlingsblüten, die herabschweben, den Wind in den Kiefern, die Feuchtigkeit, die im Herbst unter die Gewänder kriecht, das Gelächter von Kindern.
In den Waldklöstern Asiens und im Retreat in Amerika essen die Praktizierenden schweigend und ohne jede Eile. Wenn wir Achtsamkeit entwickelt haben, schmecken wir die Birne, den Käse, die Orange, das warme Brot wirklich. Wir lernen wieder, ohne Eile zu gehen und dabei die sanfte Berührung des Windes auf unserer Haut zu spüren, dem Gezwitscher der Vögel zu lauschen, uns dem rhythmischen Schwingen unseres Ganges bewusst zu werden und des Bodens unter unseren Füßen. Wie der einsame Gefängnisinsasse, der nach Monaten des Alleinseins den Besuch einer Ameise genießt, treten die kleinsten Details des Lebens plötzlich kraftvoll und vibrierend hervor.
Sowohl die westliche, wie die buddhistische Psychologie plädieren dafür, den Körper sinnvoll in die therapeutische Arbeit zu integrieren. Jahrhundertelang hatten die asketischen Kirchenväter sich kasteit, da das Fleisch angeblich Quell der Sünde war. Heute werden wir Zeuge, wie die Technologie im Namen einer anderen Ideologie erneut die Weisheit des Körpers leugnet. In der Moderne ist der Körper sozusagen zur Biomaschine verkommen, die man ausgeklügelten Erhaltungsmaßnahmen unterwirft und mit Anabolika und plastischer Chirurgie seinen Vorstellungen gemäß designt. Erneut wird unser Fleisch kasteit, wenn wir stundenlang im Auto sitzen, in winzigen Büros oder Schulräumen bei künstlichem Licht arbeiten und uns bei Fastfood und Videospielen die Zeit vertreiben.
Viel zu viele von unseren Kindern beziehen ihre Erziehung vom Fernsehen, statt aus dem überlieferten Erfahrungs- und Geschichtenschatz einer wachsenden Gemeinschaft. Wir haben den Kontakt zu unseren natürlichen Instinkten verloren. Doch wenn wir den Körper ignorieren, macht er sich mit den unterschiedlichsten Krankheitssymptomen bemerkbar. Ohne dieses Band zu einem gesunden Körper, haben wir weniger Lebensenergie, wir leiden unter chronischen Schmerzen und allerlei stressbedingten Krankheiten. Wir entwickeln Magen- und Darmgeschwüre, hohen Blutdruck und am Ende trifft uns der Schlag. Wir leiden unter Magersucht oder Ess-Brechsucht, Depressionen und Angstzuständen, Süchten oder dem zwanghaften Bedürfnis, anderen Verkehrsteilnehmern die Stoßstange zu verbiegen.
Aus buddhistischer Sicht gilt der menschliche Körper als etwas ungeheuer Kostbares, da nur er die nötigen Grundbedingungen bietet, um Freiheit und wahres Glück zu erfahren. Daher beginnen wir das systematische Achtsamkeitstraining mit dem Körper. Beginnen werden wir mit der Achtsamkeit beim Sitzen und Gehen, beim Essen und wenn wir uns bewegen. Es folgt die Entwicklung der Fähigkeit, in das Leben des Körpers einzutauchen. Wir nehmen zur Kenntnis, wenn sich in unserem Körper Leid oder Wohlbefinden ausbreiten, entdecken, wie der Körper reagiert, wenn der Geist klar bzw. verwirrt ist, wenn unser Herz sich öffnet oder verschließt und wir lernen, dem Mysterium des Körperdaseins voller Achtung zu begegnen.
Mit dem Meditieren beginnen bedeutet, dass wir unser Leben mit Anteilnahme und Liebenswürdigkeit betrachten und herausfinden, wie man wachsam und frei sein kann. Wir haben so viele Vorstellungen und Überzeugungen in Bezug auf uns selbst. Wir erzählen uns Geschichten über das, was wir wollen oder wer wir sind, sei es klug oder sanft. Oft sind das nicht hinterfragte und begrenzte Vorstellungen anderer Menschen, die wir verinnerlicht haben und dann in unserem Leben zum Ausdruck bringen. Meditieren heißt, neue Möglichkeiten entdecken und eine Fähigkeit entwickeln, die jeder von uns besitzt: nämlich ein weiseres, liebevolleres, mitfühlenderes und erfüllteres Leben zu führen.“
“Don’t think that only sitting with the eyes closed is practice. If you do think this way, then quickly change your thinking. Steady practice is keeping mindful in every posture, whether sitting, walking, standing or lying down. When coming out of sitting, don’t think that you’re coming out of meditation, but that you are only changing postures. If you reflect in this way, you will have peace. Wherever you are, you will have this attitude of practice with you constantly. You will have a steady awareness within yourself“.
Ajahn Chah
Noch mehr Inspirationen für dich: